Nationalsozialismus in Dreiborn
Die erste öffentliche Versammlung der „Nationalsozialistischen Arbeiter Partei“ war in Dreiborn am 10.1.1932. Noch lange nach der Macht Ergreifung 1933 durch den Führer Adolf Hitler, stand der Ort, bei der Kreispartei im Ruf kirchentreu und parteifeindlich zu sein. Man sprach damals vom „Sonderfall Dreiborn.“ Der Ortsgruppenleiter Linzen sagte auf einer Parteiversammlung in Dreiborn am 26.5.1933. „Wir werden euch schon zügeln! Wir Nationalsozialisten kämpfen für eine gute Sache! Das wird schon bald der störrigste Dreiborner begreifen und anerkennen müssen.“ In einer anderen Versammlung sagte der Ortsgruppenleiter „wir setzen hier einen 100% Nationalsozialisten als Bürgermeister ein damit ihr unser Bestreben euch das Beste zu bieten einsehen werdet. Der neue Dreiborn aufgezwungene Bürgermeister war der Notar Zalferer aus Gemünd. Er war ein fanatischer Überzeugungstäter! Er scheiterte in Dreiborn schon nach wenigen Wochen. Darauf sagte der Ortsgruppenleiter, „Dreiborn ist eine Republik für sich!“ Dort vegetiert eine dickfällige Zentrumsanhängerschaft! Dabei hat diese Partei längst ausgewirtschaftet. „Das muss sich ändern!“ In Dreiborn änderte sich trotz der Nähe zur Ordensburg Vogelsang nicht viel. In der Nazizeit ist niemand aus der Kirche ausgetreten.
In den ersten Jahren, im „Dritten Reich“ kam eine gewisse Sympathie für den sichtbaren Fortschritt auf. Viele glaubten es könne noch ein Miteinander von Kirche und Staat geben. Pastor Dr. Klein, versuchte mit den Braunen auszukommen. Doch spätestens 1938 merkte wohl jeder woher der Wind bläst. Bei der Fronleichnamsprozession waren im Ort obwohl es verboten war, viele Kirchenfahnen an den Häusern zu sehen. Gezeigt werden durften nur Hakenkreuzfahnen. Das blieb nicht für jeden ohne Folgen. Die Gesinnung der Handvoll Parteigenossen, welche aus einem für sie oder für den Ort profitablen Grund in der Partei waren, deckte sich meist nicht mit den Vorgaben der Partei. Man kann sie als Mitläufer bezeichnen. Nach dem Kriege wurden ihnen, außer einem, der als Denunziant verdächtigt wurde, keinerlei Vorwürfe gemacht. Der einzige gefährliche Nazi im Ort war der Lehrer Klauer. Er war gefährlicher als der Ortsgruppenleiter, er warb bedeutend mehr, als an anderen Schulen üblich, für die Hitlerjugend und hetzte die Kinder gegen ihre Eltern auf. Diese mussten in der Wortwahl mit ihren Sprösslingen vorsichtig sein, wenn sie gegen die Weisungen des Lehrers etwas einzuwenden hatten. Klauer musste sich nach dem Krieg in Aachen vor Gericht verantworten. Seine größte Schweinerei war, das er Jugendliche, weil sie aufmüpfig gegen ihn waren, zur Sterilisation vorgeschlagen hat, welche aber nicht ausgeführt wurde. Trotz der Drangsal und Angst vor diesem Lehrer, welcher 1938, nach einer Predigt in Dreiborn einen Pater aus Steinfeld wegen Kanzelmissbrauchs bei der Gestapo anzeigte, wurde den Dreibornern damals von Seite des Dekanats ein gutes Zeugnis über ihre Glaubenstärke ausgestellt.
In den umliegenden Ortschaften, besonders in Schleiden und Gemünd wo viele aus der Kirche austraten, war die Kirche mit ihren Schäfchen nicht so zufrieden. Als im Schleidenertal die Synagogen brannten und später die Juden deportiert wurden, sagte der Lehrer, es handelt sich bei den Juden um Vaterlands Verräter, sie hetzen in ihren Synagogen gegen den Führer, sie sollen endlich arbeiten lernen, so wie wir. Zu Hause wurde über dieses Thema nicht gesprochen, in der Kirche auch nicht. Das war zu gefährlich. Die Seelsorge wurde für den Pastor immer schwieriger. 1939 wurden die Kreuze aus den Schulen entfernt! Monatlich wurden im Dorfsaal Heimatfilme gezeigt. Im Vorspann wurden die Leistungen der Partei und der geliebte Führer, als der von der Vorsehung bestellte Retter des Vaterlandes gepriesen. Das Christentum wurde als ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten dargestellt, was man als Deutscher nicht mehr brauchte. Im Dorf war ein Arbeitsdienstlager, jeden Morgen, war Fahnenappell! Dabei schallten Nationalsozialistische Parolen durch den Ort. Lieder der Bewegung wurden gesungen. Westwallarbeiter waren im Dorf untergebracht.
Nach dem Sieg über Polen waren bis zum Westfeldzug im kleinsten Bauernhaus mindestens zwei bis drei Soldaten, oft mit Pferden einquartiert. Auf engstem Raum musste man mit diesen auskommen. Nur selten waren sie katholisch. Alle wehrfähigen Jungen und Männer des Dorfes waren Soldat. Polnische Kriegsgefangene wurden als Helfer in der Landwirtschaft den Haushalten zugeteilt. Die Mädchen wurden von den Soldaten angehimmelt! Die Eltern und der Pastor versuchten sie auf dem Weg der Tugend zu halten. Auf dem Predigstuhl wurde, aus diesem Grund, was damals noch hilfreich war, die Hölle tüchtig Geheizt! 1942 wurden Prozessionen verboten. Eltern und Kirche verloren immer mehr an Einfluss. Der Lehrer sorgte dafür, dass die Kinder bei Zeiten im „Deutschen Jungvolk“ erfasst wurden. Trotz allem sagte Dr. Klein 1942 „die Lage der Kirche in Dreiborn hat sich nicht verschlechtert. Man hatte inzwischen gelernt sich vorsichtig, im Sinne der Zeit auszudrücken. Doch je länger der Krieg dauerte und je mehr fremde im Dorf mit uns lebten, desto rauer wurden die Sitten. Jeder versuchte auf seine Weise irgendwie den Lebensstandart zu verbessern. Wer mit seinen Lebensmittelkarten auskommen musste war arm dran.
Sogar der Ortsgruppenleiter Linzen genierte sich in den letzten Kriegsjahren nicht, die so oft gescholtenen Dreiborner Landwirte zu fragen, ob sie ihn nicht beim Urlauber Treffen der Frontsoldaten im Kurhaus in Gemünd, durch Kuchen Spenden unterstützen wollten? Nun war Linzen ein Typ dem man nicht schnell böse sein konnte. Deshalb und weil er soweit bekannt, keinem etwas zu leide getan hatte und weil es den Soldaten zu gute kam, halfen ihm die Dreiborner und spendeten manchen Kuchen. Viele konnte sich dabei aber ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen.
Zum Letzten mal traten die Parteigenossen aus unserer Gegend, bei der Evakuierung des Ortes unrühmlich in Erscheinung. Dann war der Spuk vorbei!
Quellen: Kirchenarchiv Dreiborn – Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen
von Alfred Wolter